In den vergangenen Wochen stand das intensive Nachdenken über Altar, Kanzel und Taufstein im Zentrum der Arbeit des Baukreises. Architektonische, theologische und künstlerische Aspekte waren dabei zu bedenken.
In einer der Sitzungen hatte der Baukreis Pfarrerin Ulrike Beichert zu Gast. Sie hat bis vor einiger Zeit im Rahmen einer Sonderbeauftragung badische Gemeinden bei der Gestaltung des Kirchenraumes theologisch und liturgisch beraten. Im Baukreis legte sie uns einige theologisch Gedanken zu Altar und Kanzel vor. Grundlage ist dabei der Gedanke, dass sich die Gemeinde – wie es in der Friedensgemeinde in Zukunft sein wird – um den Altar als gemeinsame Mitte versammelt. Der Altar ist dabei nicht nur Abendmahlstisch, so Beichert. Vielmehr hat der Altar, mit allem was sich darauf befindet (Bibel, Kreuz, Paramente…) symbolischen, hinweisenden Charakter. Er ist der Ort in einer Kirche, der die Gegenwart des göttlichen Geheimnisses symbolisiert. Dort „verdichtet“ sich die der Gemeinde im Gottesdienst verheißene Gegenwart des Auferstandenen, erklärte Pfarrerin Beichert. Damit ist der Altar „Grenzstein zwischen Himmel und Erde“.

In ihrem Fazit beschrieb Pfarrerin Beichert Konsequenzen aus dieser Sicht für die Gestaltung von Altar, Kanzel und Stufen(!) in der Friedenskirche. Wir geben die abschließenden Ausführungen von Pfarrerin Beichert hier im Wortlaut wider:
Am Ort der Gottesbegegnung, bezeichnet durch einen Gedenkstein oder den Tisch des gemeinsamen Mahls, bildet sich das Heiligtum. Das ist in allen Religionen so: Zentrum des Heiligtums ist der Ort der Gottesbegegnung. Je nach Art der Gottesbegegnung und kulturellem Kontext hat dieses Zentrum, der Altar, den Charakter der Opferstätte, des Gedenkorts oder der Begegnungsstätte. In einer christlichen Kirche ist er geprägt vom Geheimnis der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus, der im Heiligen Geist gegenwärtig ist in der gottesdienstlichen Versammlung der Gemeinde unter seinem Wort und den Sakramenten.
Sie merken vielleicht: Ich konzentriere die Funktionen, die klassisch im evangelischen Kirchenbau verteilt sind auf die Trias von Altar, Kanzel und Taufstein auf den Altar.
Ich tue das aus zwei Gründen: einem streng theologischen und zugleich ästhetisch formalen und einem eher pragmatischen.
Zum ersten:
Diese symbolische Konzentration auf den Altar bedeutet nicht, dass ich die anderen beiden Elemente aus dem Gottesdienstraum verbannen möchte. Ich plädiere aber dafür, sie sozusagen „symbolisch zu entlasten“ und damit pragmatischer und freier mit ihnen umzugehen. Das kann beispielsweise bedeuten, dass in einer Gemeinde mit einer sehr „bunten“ Gottesdienst-Tradition, die viele verschiedene Formen der Verkündigung kennt (mit einem oder mehreren Sprechern, mit Spiel- und Musik-Elementen), der „Verkündigungs-Ort“ variabel gestaltet werden kann (also mit verschiedenen Sprech-Orten und in für wechselnde Akteure unterschiedlicher Anzahl).

Dieser Verkündigungs-Ort wäre hier in der Friedenskirche in Zukunft die Treppenanlage selbst, die je nach gottesdienstlicher Erfordernis mit einem Pult versehen werden kann, das an unterschiedlichen Stellen seinen Ort findet; evtl. sogar mit mehreren Pulten. Diese/s Pult/e sollten nicht das gestalterische Gewicht einer demonstrativ protestantischen Kanzel tragen, sondern in ihrer Gestaltung deutlich hinter dem Altar zurück treten; evtl. sogar außerhalb des Gottesdienstes von der Treppe entfernt werden und als Stehpult für ein Gästebuch dienen.
Die symbolische Konzentration auf den Altar muss gestalterisch damit einhergehen, dass der Altar in Form, Materialität und Ausgestaltung eine starke konzentrierende Kraft bekommt. Sinnfällig fände ich in diesem Fall eine unauflösliche Verbindung des Kreuzes mit dem Altar – entweder durch Verwendung eines (kleinen) Altarkreuzes (es darf den liturgischen Ort hinter dem Altar nicht behindern) oder (besser noch) durch die Aufnahme des Kreuzesmotivs in die Altargestaltung selbst. Der Altar als kreuz-förmiger oder kreuz-tragender „Grenzstein zwischen Himmel und Erde“ würde so eine symbolhafte Vergegenwärtigung Jesu Christi im Gottesdienstraum repräsentieren, der als wahrer Gott und wahrer Mensch am Kreuz, ausgespannt zwischen Himmel und Erde Gott und Welt miteinander versöhnt hat.
Die Verbindung von Kreuz und Altar am Fuß der Treppenanlage wäre auch deshalb ein besonders sprechendes Zeichen, weil dadurch deutlich wird, dass der Ort unüberbietbarer Gegenwart Gottes der Ort der Erniedrigung Christi am Kreuz ist. Vgl. Phil 2,6-8: „Obwohl er in göttlicher Gestalt war, hielt Jesus Christus es nicht wie einen Raub fest, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und durch seine ganze Erscheinung als Mensch erwiesen. Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz …“
Eine solche Gestaltung würde ein starkes Signal setzen für den christlichen Glauben an die Menschlichkeit Gottes und die göttliche Würdigung des Menschen.
Auf dem Altar sollten eine Altarbibel und ein (auch außerhalb der Gottesdienste dort befindlicher) Hinweis auf die Sakramente ihren Ort finden, weil das nach CA 5 die beiden Orte der Selbstvergegenwärtigung Gottes sind (nicht nur das Wort!).
Die Frage nach den Paramenten würde ich vom Altar lösen. Als sichtbare Zeichen des Kirchenjahres, das die Heilsgeschichte vergegenwärtigt, sind sie eng mit der Verkündigung verbunden. Es wäre daher m.E. darüber nachzudenken, ob dieses Gestaltungselement die Treppenanlage bestimmen könnte. Das gestalterische Element würde ich dabei ausschließlich in der (wechselnden) Farbigkeit, nicht in motivischen Gestaltungen sehen.
Das hieße:
Das geistliche und liturgische Zentrum der Friedenskirche würde geprägt durch 2 Elemente:
- die Treppenanlage als Ort der (gesungenen und gesprochenen) Verkündigung
mit mobilem Ambo / mobilen Ambonen und mit „Paramenten“, also einer Gestaltung in den wechselnden Farben des Kirchenjahres (als textile Zutaten zu den Ambonen, als Teppiche oder als Lichtreflexe auf der Treppenanlage oder andere künstlerische Gestaltungsideen - den Altar als symbolischem Ort der unsichtbaren Gegenwart des Gekreuzigten und Auferstandenen
mit Kreuz als Gestaltungsprinzip, Altarbibel und definierten Stellen für das Abendmahls- und Taufgerät
Diese beiden Elemente treten an die Stelle
- der traditionellen Trias von Altar, Kanzel und Taufstein
- der traditionellen Paramente
- eines zusätzlichen Kreuzes
Diese Gedanken hat der Baukreis sehr zustimmend aufgenommen und arbeitet an einem Vorschlag für die Gestaltung von Altar und Kanzel im Kirchenraum. Dieser soll bis September in einer ersten Fassung vorliegen.