Es ist bekannt, dass der Architekt der Friedenskirche in Heidelberg-Handschuhsheim, der großherzoglich badische Oberbaurat Karl Hermann Behaghel (1839-1921), die Kirche entsprechend dem so genannten „Wiesbadener Programm“ entworfen hat. Dieses Kirchenbauprogramm, erstmals in der Wiesbadener Ringkirche verwirklicht, war ein dezidiert reformerischer Ansatz.
Die vier Grundthesen des Wiesbadener Programms lauten:
- Die Kirche soll im allgemeinen das Gepräge eines Versammlungshauses der feiernden Gemeinde, nicht dasjenige eines Gotteshauses im katholischen Sinne an sich tragen.
- Der Einheit der Gemeinde und dem Grundsatze des allgemeinen Priesterthums soll durch die Einheitlichkeit des Raums Ausdruck gegeben werden. Eine Theilung des letzteren in mehrere Schiffe sowie eine Scheidung zwischen Schiff und Chor darf nicht stattfinden.
- Die Feier des Abendmahls soll sich nicht in einem abgesonderten Raume, sondern inmitten der Gemeinde vollziehen. Der mit einem Umgang zu versehende Altar muss daher, wenigstens symbolisch, eine entsprechende Stellung erhalten. Alle Sehlinien sollen auf denselben hinleiten.
- Die Kanzel, als derjenige Ort, an welchem Christus als geistige Speise der Gemeinde dargeboten wird, ist mindestens als dem Altar gleichwerthig zu behandeln. Sie soll ihre Stelle hinter dem letzteren erhalten und mit der im Angesicht der Gemeinde anzuordnenden Orgel- und Sängerbühne organisch verbunden werden.
Es ist bemerkenswert, dass Behaghel die Friedenskirche zwar als Zentralbau entwickelt hat. In der Anordnung der Gemeinde und der Ausrichtung der Kirche ist er aber doch dem alten Grundriss der Kathedrale oder Basilika verhaftet geblieben.
Mit der Renovierung wird sich das nun ändern. Das Konzept für die neue Friedenskirche sieht vor, dass sich die feiernde Gemeinde um den Altar versammelt. In der neuen Friedenskirche wird die Feier des Abendmahls tatsächlich sich „inmitten der Gemeinde vollziehen“ – was bisher nicht möglich ist. Und wie in These 4 gefordert, werden mit der neuen Stufenanlage erstmals wieder Altar, Kanzel und Orgel „organisch verbunden“.
Das Konzept der neuen Friedenskirche geht behutsam mit der Vergangenheit und Tradition der Friedenskirche um und stärkt den Raum als einen zeitgemäßen Gottesdienstraum.
Meine Familie und ich sehen dem Baubeginn der Friedenskirche mit Freude und Spannung entgegen. Entgegen leider vielen Zweiflern erscheint uns die angedachte Konzeption zwar modern und innovativ (was ja nun im eigentlichen Sinn auch gar nicht negativ ist), aber auch absolut zweckmäßig.
Besonders der Gedanke des Zentralbaus mit der Gemeinde, versammelt um den Altar, ist toll. Das stiftet doch Gemeinschaft und verhindert „Anonymität“. Dass der alte Taufstein wieder einen schönen Platz bekommen soll oder die in die Bodenfliesen eingefügten Weinranken, ist ebenfalls sehr durchdacht und begrüßenswert.
Die Idee mit der Stufenanlage – mit der Kanzel als zentralen Verkündigungsort – zur Orgel ist für mich phänomenal. Schafft sie doch eine gute Verbindung zwischen unten und oben. Und für die Chöre ist das natürlich wesentlich besser als von der Orgelempore zu singen. Ich freue mich auf zukünftige Gottesdienste in der neuen alten Friedenskirche.
Ich lese das alles mit Spannung, was bei Ihnen in Handschuhsheim geschieht, zumal die Kirche, die ich aus Studenten- und Orgelübezeiten kenne, auch nach dem Wiesbadener Programm gestaltet wurde. Ich bin gespannt, was noch an Umbaumaterialien dazukommt.
Wolfgang Vögele
http://www.wolfgangvoegele.wordpress.com