Gott ist da!
Von Pfrarrerin Martina Reister-Ulrichs
Mein erstes Abendmahl war eine herbe Enttäuschung. Am Ende der Konfirmandenzeit war es endlich so weit. Was bis dato unter dem Schleier des Verbotenen verborgen war, sollte endlich sein Geheimnis preis geben. Ich war gespannt und erwartete nicht weniger als den Einschlag des Heiligen Geistes, eine Art Erleuchtung, etwas nie zuvor da Gewesenes. Nichts dergleichen geschah. Ein Stück trockenes Brot und ein Schluck ungewohnten Weins waren alles, was ich schmeckte. Oder wurde damals Traubensaft gereicht? Ich weiß es nicht mehr.
Seither hat sich viel verändert in der Kirche und in meiner persönlichen Wahrnehmung. Seit den 1990er Jahren werden in den evangelischen Landeskirchen alle Getauften, auch Kinder, zum Abendmahl eingeladen, weil die Kirchen erkannt haben, dass sich durch regelmäßiges Erleben mehr vermittelt als durch Aufklärungsarbeit, und dass es mehr um das Erschließen eines Erfahrungshorizontes geht als um Geheimniskrämerei.
Ein Blick in die Bibel verrät uns, dass Jesus „in der Nacht, da er verraten ward,“ an einem zum Passafest mit vielen symbolischen Speisen reich gedeckten Tisch zwei mit einer neuen Bedeutung versieht: „Er nahm das Brot, dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, so oft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“ (1. Korinther 11, 23-25)
Die evangelische Kirche kennt zwei Sakramente: die heilige Taufe und das heilige Abendmahl. Die Taufe ist das Sakrament des Anfangs, bei dem Christus sich mit dem/der einzelnen Gläubigen verbindet. Sie ist ein für alle Mal gültig und wird ökumenisch von den christlichen Kirchen gegenseitig anerkannt. Das Abendmahl ist das Sakrament des Bleibens, bei dem Christus sich mit der Gemeinschaft der Gläubigen und diese untereinander verbindet. Es begleitet Menschen auf dem Weg als Christen wie das tägliche Brot und wird immer wieder gefeiert.
In der Ökumene aber tun sich Hürden auf, denn es besteht bis heute Uneinigkeit in der Frage, wie der auferstanden Christus in den Elementen gegenwärtig ist. Werden Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt? Oder weisen Brot und Wein nur auf ihn hin? Im Theologiestudium habe ich mir mit Feuereifer darüber den Kopf zerbrochen.
Als Pfarrerin habe ich je länger je mehr gemerkt, dass es mir auf die verstandesmäßige Durchdringung dessen, was sich da vollzieht, nicht hauptsächlich ankommt. Ich entdecke Tränen in den in den Augen der Menschen, denen ich Brot und Kelch reiche. Ich spüre eine tiefe Verbundenheit mit der Gemeinschaft der Feiernden. Ich werde gestärkt. Ich vertraue der Kraft des Rituals. Ich glaube fest, dass Gott hier am Werke ist und dass ich nicht begreifen muss, wie: Er weiß viel tausend Weisen. Ich freue mich darüber, dass Gott es uns ganz leicht macht, weil es beim Essen und Trinken um elementare Vollzüge geht, die jeder Mensch braucht. Nimm und iss. Gott ist da. Du bist nicht allein. Mehr nicht. Weniger nicht.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem neuen Gemeindebrief der Friedensgemeinde. Unser Thema der aktuellen Ausgabe: „Zu Tisch! Ein Fest für Leib und Seele.“ Sie können den Gemeindebrief hier herunterladen.
Fotos: Lothar Bauerochse; James Coleman on Unsplash
Nach evangelischem Verständnis ist es Jesus, der zum Abendmahl lädt. Paulus spricht in diesem Zusammenhang vom Tisch des Herrn. Deswegen sind in der ev. Kirche in Deutschland grundsätzlich alle Getauften zum Abendmahl geladen – egal welcher der beiden Kirchen sie angehören. In der kath. Kirche dürfen offiziell nur Katholiken am Abendmahl teilnehmen.