Zum dritten Mal hat die Friedensgemeinde „Wachet und betet“ gefeiert in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag. An vielen Stationen in der Friedenskirche konnten die Besucher großen Lebensfragen nachgehen.
Der Abend begann mit einem Tischabendmahl. Eine große bunte Mahlgemeinschaft im Kirchenraum.






Weitere Bilder von der langen Nacht „Wachet und betet“ unten.
Nach dem Teilen des Brotes hielt Pfarrer Garleff eine Tischrede: Christsein heißt im Wesentlichen zusammen essen.
„Schon in den Jesusgeschichten der Evangelien geht es erstaunlich oft ums gemeinsame Essen. Und auch Paulus beschäftigt sich gleich in mehreren Briefen mit dem Essen und der Mahlpraxis seiner Gemeinden. Essen verbindet. Essen spaltet aber auch.
Das geht schon immer los bei der Wahl der Essensgaben. Mit Fleisch oder ohne Fleisch. Fleisch nur nach jüdischem Brauch oder auch anderes. Wer heute ein Mahl plant, muss allerhand berücksichtigen, will er nicht ausschließend sein: Vegetarisch oder vegan? Oder doch mit Fleisch? Gibt es Intoleranzen: Laktose, Gluten, Nüsse? Und dann noch die Getränkewahl: Bier oder Wein? Und wenn ja, welche Sorte: Rotwein, Weißwein, Rosé, trocken oder halbtrocken, lieblich oder alkoholfrei? Alles nicht so einfach. Du kannst heute über das Essen debattieren wie früher über das richtige oder falsche, das gute oder schlechte Wetter.
Und dann noch die Tischgenossen und die Tischordnung. Wen willst du dabei haben und wen eher nicht? Sollen manche vielleicht lieber am Kindertisch sitzen? Wen darf man auf keinen Fall nebeneinander setzen?
Christsein heißt im Wesentlichen zusammen essen. Kein Wunder also, dass sich die Spaltung des Christentums stets in der gespalteten Abendmahlspraxis zeigte. Am Abendmahl – oder wie Paulus es nannte – am Herrenmahl schieden sich die Geister. Gründe, Trennendes festzustellen, finden sich immer: Ist Christus real präsent, wenn wir Abendmahl feiern? Oder werden Brot und Wein verwandelt in Leib und Blut Christi? Was muss oder darf getrunken werden: Wein mit Alkohol oder Traubensaft ohne? Müssen es Oblaten/Hostien sein oder kann es auch Brot sein? Und wenn ja, wie muss dieses Brot geschnitten sein? Muss es Weizenbrot sein oder geht auch Kartoffelmehl? Gemeinschaftskelch oder Einzelkelch oder gar nur Priesterkelch?
Das mit dem Essen ist nicht nur im häuslich-familiären Kontext mitunter kompliziert, sondern erst recht im kirchlichen Zusammenhang. Und dann noch den richtige Rhythmus der Mahlzeiten festlegen: täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich, morgens oder abends?
Christsein heißt im Wesentlichen zusammen essen. Aber was ist, wenn jeder macht was er will? Gibt es eine Norm? Nun, die Protestanten unter uns, sind skeptisch, wenn einer einfach eine Ordnung erlässt. Man müsste doch erst einmal einen moderierten Prozess aufsetzen. Aber bis dahin machen dann ja alle weiter wie bisher. Das ist auch nicht gut. Dann nämlich essen die einen schon, wenn die anderen noch nicht da sind. Und für die bleibt nichts übrig. Ordnung muss schon sein. Oder mindestens eine kleine Orientierung.
Unsere Problem heute und die Probleme der ersten Christen liegen scheinbar gar nicht weit auseinander. Damals regelt Paulus einfach per Anordnung, indem er das sakramentale Mahl vom Sättigungsmahl trennte. Einfache Regelung: Esst zuhause, wenn ihr Hunger habt, aber wartet auf einander beim Herrenmahl – da soll jede und jeder teilnehmen können, auch jene, die zu spät von der Arbeit kommen.
Und dann erinnert er an die Einsetzungsworte, die er als Richtschnur empfangen hat:
(1Kor 11,23-29)
23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Wer also unwürdig von dem Brot isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. Denn wer isst und trinkt und nicht bedenkt, welcher Leib es ist, der isst und trinkt sich selber zum Gericht.
Das Wesen des Christlichen ist zusammen essen. Das Abendmahl soll Einheit stiften. Gewiss, das ist nie einfach. Aber Einheit muss nicht alle Unterschiede wegwischen. Beim Abendmahl geht es nicht um eine heile Gemeinschaft, sondern um die Erinnerung an eine gefährdete Gemeinschaft, für dich sich Jesus in den Tod gegeben hat. Jesus hat nicht zuerst sein Eigenes gesehen und für sich selbst gehandelt, sondern für andere, für die Gemeinschaft. Das schafft die Möglichkeit, dass man über Trennendes hinwegsehen kann, dass man im Teilen Gemeinschaft stiften kann, dass man im gemeinsamen essen zu einem kooperativen Miteinander unter den Verschiedenen werden kann und sogar den am Tisch dulden kann und mit dem zu teilen vermag, mit dem man uneins ist.
Am Tisch des Herrn herrscht versöhnte Verschiedenheit für den Moment und in der Hoffnung auf das Reich Gottes, das kommen mag. Amen.
Die ganze Nacht hindurch bis zum Karfreitagsgottesdienst waren Menschen mit den Stationen im Kirchenraum beschäftigt und mit den Lebensfragen wie „Wo bin ich zuhause?“, „Was ist für uns Frieden?“, „Was ist meine Aufgabe?“, „Wo bin ich fruchtbar?“, „Wen siehst Du an?“ und „In welcher Welt lebst Du eigentlich?“ Stärkungen gab’s am Kühlschrank, dort war man „fraglos glücklich?“. Zu jeder vollen Stunde ein Gebet, ein Impuls, dazu Musik.














(Fotos: Bauerochse)