20 Jugendliche aus der Friedensgemeinde unternehmen in der ersten Ferienwoche eine Segelfreizeit auf dem Ijsselmeer in Holland. Auf dem Traditionsschiff „Strijd“ sind sie mit ihren vier Teamern am 1. August nachmittags in Enkhuizen in See gestochen.
Morgens um 8 waren wir in Handschuhsheim gestartet. Mit dem Bus Richtung Nord-Osten, dem Meer entgegen. Skipper Klasjan und die beiden Matrosinnen Nicole und Julia empfingen die Gruppe an Bord der Strijd. Und weil die Spätnachmittagssonne so herrlich schien und ein gleichmäßiger Nordwester wehte, wurde spontan entschieden, nicht erst am nächsten Tag loszusegeln, sondern sofort. Ein Zwei-Stunden-Törn in der Abendsonne, einmal übers Meer von Enkhuizen nach Urk. Und ohne große Segeleinführung lernten die Handschuhsheimer Jugendlichen schnell, wo es anzupacken gilt auf so einem Segelschiff.
Die richtige Segeleinführung durch die beiden Matrosinnen gab‘s dann erst am Dienstagmorgen. Davor war aber erst mal Strandzeit. Beim Volleyball können viele mitmachen, ein paar wagen sich ins halbwegs warme Meer (das im übrigen nicht salzig ist), die anderen genießen es, einfach im Sand zu sitzen, ein Buch in der Hand und ab und zu ein Blick aufs Meer.
Nachdem der Wind auf Südwest gedreht hatte, ging die Fahrt am Dienstag nach Nordwesten zum nördlichen Deich übers Isselmeer, dort durch die Schleuse und unter der Autobahn weg. Und dann gleich in den Watthafen Den Oever. Jetzt liegt die Nordsee mit ihrem Wattenmeer hinter den westfriesischen Inseln vor uns.
Mit einem lebendigen Familiengottesdienst wurde Christine Greil nach dreieinhalb Jahren als Leitung unseres Kindergartens in der Kriegsstraße verabschiedet und Sabina Mandzukic als neue Kindergartenleitung eingeführt.
Familiengottesdienst zum Wechsel der Kindergartenleitung mit dem Zirkus Prisma
Die Ansprache zum Leitungswechsel
Liebe Frau Greil, wenn etwas aufhört, dann gibt es meist warme Worte und wir selbst denken darüber nach, wie war ich eigentlich und wer will ich gewesen sein. Wenn etwas aufhört, dann hagelt es Nachrufe. Das Gute ist, wer im Leben mit etwas aufhört und doch noch lebt, der hört den Nachruf und kann es ganz mit Ohren der Ermutigung hören.
Sie hören heute in mehrfacher Hinsicht auf. Sie hören auf als Kindergartenleitung in der Kriegsstraße, aber zugleich auch als Mitarbeiterin der Evangelischen Kirche in Heidelberg und nicht zuletzt hört auch ihre Zeit in Heidelberg demnächst auf. Mitten im Leben wagen sie den Neuanfang – sportlich, mutig, zuversichtlich. Nun tun sich ChristInnen schwer mit dem Ende. Denn sie sind ja eher Anfängerinnen. Wir feiern immer lieber den Anfang. Das Ende ist nur interessant, weil ihm der neue Anfang folgt. Daher, liebe Frau Mandzukic, in leichter angepasster Form ist das folgende auch an Sie gerichtet.
Für diesen Anfang aber, möchte ich Ihnen 5 Wünsche mitgeben.
Zunächst: Ich habe Sie, Frau Greil, erlebt als eine fröhliche, zuversichtliche Frau. Eine Erzieherin mit Lust und Freude. Gewiss keine, die immer nur in dem – man verzeihe mir das Klischeehafte – sozialpädagogischen Hauchton daherkommt. Nein, wo Sie sind, da gibt es das ganze Leben: laut, bunt, wahrnehmend, nachdenklich, leise. Sie packen die Dinge an und Sie haben einen Plan. Sie haben eine Vorstellung davon, wie es sein könnte. Gewiss nicht immer kam und kommt es so, wie Sie sich das vorstellten oder erträumt haben. Sie sind bereit Pläne zu überdenken.
Ich wünsche Ihnen: Bleiben sie radikal, aber jederzeit bereit inkonsequent zu sein.
Sie sind eine starke Frau. Sie haben ihren Kopf hingehalten auch für Entscheidungen, die sie selbst gar nicht getroffen hatten. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie als Leiterin des Markuskindergartens im Team mit Frau Reis die undankbare Aufgabe übernommen haben, den Kindergarten zu schließen. Mit Besonnenheit, aber auch mit Loyalität, mit Einfühlungsvermögen und mit Standhaftigkeit. Dafür sage ich Ihnen, als seinerzeit für die Entscheidung Mit-Verantwortlicher – noch einmal ganz persönlich Dank.
Ich wünsche Ihnen: Bleiben sie loyal, aber lassen sie nicht zu viel Kraft im Umsetzen der Entscheidungen anderer.
Als Leitungskraft in einem evangelischen Kindergarten ist man so etwas wie ein Schokoladenkuss in einem Brötchen: Oberhälfte der Träger, Unterhälfte die Elternschaft und dazwischen: Der Schokokuss: Die Leitung. Druck von allen Seiten. Kann man dem Stand halten? – Nun, wer hat schon mal eine Schokoskussbrötchen gegessen? – Das Beste daran ist die Mitte. Die sich müht alles irgendwie zusammenzuhalten. Sie ist der Klebstoff, der Geschmack, die Süße und die Schokolade. Alle trauen ihr zu, dass sie aus den gegebenen Ansprüchen das Optimale herausholt. Das kann nur schief gehen. Dem Schokokuss geht über kurz oder lang die Luft aus. Liebe Frau Greil: Sie sind als Schokokuss nun frei: Die Eltern werden ihnen bleiben, aber immerhin von oben drückt schon mal kein Träger mehr.
Ich wünsche Ihnen, den Mut das Optimieren zu lassen.
Ein Martin Luther zugeschriebener Satz lautet: „Wenn du ein Kind siehst, dann hast du Gott auf frischer Tat ertappt!“ – Wer im Kindergarten arbeitet hat vielleicht den Job mit der häufigsten Gottesschau. Sie haben in unserem Kindergarten Kinder beim Spielen, beim Buddeln, bei Nachdenken und Welterklären begleitet. Sie haben getröstet, erzählt, waren mal strenge Erzieherin und mal gütige Pädagogin. Wer Kinder begleitet lernt schnell: die großen Persönlichkeiten entwickeln sich durch Versuch und Irrtum.
Dabei haben wir es heute oft mit Rahmenbedingungen zu tun, die möglichst perfekt sein sollen. Die Kinder sollen sich super entwickeln können, möglichst angstfrei, sorgenfrei, geborgen sein. Die Eltern wollen ihren Dingen nachgehen können möglichst angstfrei, sorgenfrei, zukunftsoffen. Aber wir stellen fest: So perfekt ist das alles gar nicht. Immer wieder laufen Dinge schief, machen Kinder, Eltern, Erzieher, Träger, Pfarrer Fehler. Die Aufregung ist groß!
Wir müssen fehlerfreundlicher werden. Denn wenn A ein Fehler war, folgt daraus ja nicht notwendigerweise B, sondern vielleicht auch die Erkenntnis, dass A falsch war. Daraus folgt, dass man im Leben üben muss, nachsichtig mich sich selbst und anderen zu sein, wenn man das mit A entdeckt hat.
Ich wünsche Ihnen die Bereitschaft und das Bemühen jederzeit gute Fehler zu machen.
Und dann, liebe Frau Greil, ich vermisse schon jetzt unsere Gespräche, unser gegenseitiges Vertrauen, die Ernsthaftigkeit und das Vertrauliche, das gemeinsame Ärgern und Schimpfen ebenso, wie das gemeinsame Staunen und das Rumalbern im Team. Sie gehen jetzt nach Bayern. Das finde ich interessant. Da wäre ich nie auf die Idee gekommen. Noch dazu in eine fränkische geteilte Stadt, in der man schon durch die Wahl der Streifen und einer Katze deutlich machen kann, zu welcher Seite man sich zählt. (Preisfrage: Um welche Stadt handelt es sich?)
Ich wünsche Ihnen: Bleiben sie albern, unernst, interessant, anregend, arrogant, ärgerlich, lehrreich, ungerecht – aber nie banal.
Liebe Frau Greil, ich danke Ihnen für ihren Dienst in der Evangelische Kirche in Heidelberg und ganz besonders auch für ihren Einsatz und ihr Wirken als Kindergartenleitung bei uns in der Friedensgemeinde. Es war gewiss keine leichte Zeit und vieles haben Sie sich, haben wir uns gemeinsam anders vorgestellt. Aber sei es drum: Wir – die Kinder, die vielen Eltern, ihr Team und das Pfarrteam und der Ältestenkreis werden Sie vermissen. Aber zugleich: Ende ist Anfang, darum hüllen wir Sie golden ein und segnen Sie.
Segnung von Sabina Mandzukic (Fotos Cornelius Bauerochse)Segnung von der neuen Kindergartenleitung Sabina Mandzukic
Anmerkungen und Erklärungen zum Strategieprozess der Evangelischen Kirche
In nahezu allen evangelischen Landeskirchen sind Reform- und Strategieprozesse in Gange. Sie sollen die Kirchen zukunftsfähig machen für eine Zeit mit weniger finanziellen Mitteln, mit weniger Pfarrerinnen und Pfarrern und vor allem auch mit weniger Mitgliedern. Auch die badische Landeskirche hat ihren Strategieprozess im vergangenen Jahr gestartet, mit dem sie einerseits eine Transformation der kirchlichen Strukturen und Handlungsfelder anstrebt und andererseits eine Reduktion der kirchlichen Kosten um 30 % bis zum Jahr 2032. Von den eingesparten Mittel sollen allerdings ein Drittel als Investitionen in neue kirchliche Formen, in die Digitalisierung und das Ziel einer klimafreundlichen Kirche verwendet werden.
In den kommenden Monaten möchten die Beiträge in diesem Blog immer wieder Denkanstöße liefern für eine Kirche, die um ihren Auftrag weiß und die zugleich nicht in ihren Traditionen und gegenwärtigen Strukturen verharrt, sondern durch gute organisierende und strukturelle Entscheidungen zu einer Kirche wird, die immer wieder neu die Kommunikation des Evangeliums Jesus Christi hin zu den Menschen gestaltet. Die Transformation der Kirche kann dabei wohl nur gelingen, wenn wir in der Kirche unsere Horizonte weiten, nicht nur zurück schauen, sondern auch nach vorne sehen; wenn wir nicht nur auf das schauen, was wir haben, sondern auch auf das, was uns entgegenkommt; wenn nicht nur auf das schauen, was wir sicher haben, sondern auch auf das, was noch hinter dem Horizont verborgen ist.
Teil1: Warum braucht die evangelische Kirche einen Strategieprozess?
Eines vorneweg: Der Begriff Strategieprozess ist kein theologischer Begriff. Aus theologischer Sicht, also orientiert an Schrift und Bekenntnis, ist die Kirche eine Präsenz des Heiligen Geistes in der Welt und damit ein Glaubensgegenstand. Die Kirche wird durch Gott, als den, der sich in Worte fasst, konstituiert. Und sie wird durch Gott gelenkt und geleitet. In dieser Konstitution und Eigenschaft entzieht sich die Kirche der Verfügbarkeit menschlicher Gestaltungsmacht. Zugleich aber existiert die Kirche in der Welt. Die sichtbare Kirche ist eine Handlungs- und Interaktionsgemeinschaft von Menschen. Diese sichtbare Kirche ist sehr wohl in ihrer Existenz und Struktur, in ihrer Organisation abhängig von kirchenleitenden Entscheidungen. Wie alles menschliches Handeln ist dabei auch die das kirchenleitende Handeln stets ein geschichtliches und geschieht unter den Voraussetzungen der jeweiligen Lebenswelt.
Warum als braucht die sichtbare, die wahrnehmbare Kirche, die Kirche also, die eine Institution und Organisation ist, einen Strategieprozess?
1. Die Kirche muss auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Schon von Anbeginn ihrer Geschichte an war sie zu unterschiedlichen Zeiten herausgefordert, ihr Handeln und ihre Struktur zeitgemäß zu gestalten.
2. Die Kirche spürt zunehmend die Auswirkungen der gesellschaftlichen Megatrends. Die Bindungskraft der großen Institutionen und Organisationen lässt nach. Die Kirche hat in den letzten Jahrzehnten einen massiven Mitgliederrückgang erlebt. Die Selbstverständlichkeit der Kirchenmitgliedschaft ist nicht mehr vorhanden. Die parochiale Organisation und damit die flächendeckende Struktur der Kirche muss entsprechend angepasst werden.
3. Zu dieser Anpassung gehört, dass der Gebäudebestand der Kirche (Gemeindehäuser und Kirchen) angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen überdimensioniert ist. Er ist angesichts des prognostizierten Mittelrückgangs bei gleichzeitigem Renovierungsstau und der Herausforderung der Klimaneutralität in seiner heutigen Gestalt nicht mehr zu finanzieren.
4. Die Kirche hat ein Nachwuchsproblem in den kirchlichen Berufen. In den kommenden Jahren wird es zunehmend schwieriger werden, die kirchlichen Stellen (Pfarrstellen und Diakonenstellen) zu besetzen.
5. Trotz einem vielfältigen und engagierten kirchlichen Leben vor Ort werden gerade die jüngeren Generationen (20-40jährige) durch die Kirche kaum mehr kommunikativ erreicht. Die klassische Struktur der Ortsgemeinden (ein Dorf, eine Kirche, ein Gemeindehaus, eine Pfarrperson) bindet vielfach große Ressourcen für wenig Reichweite.
6. Die kirchlichen Strukturen und Handlungsfelder (z.B. Diakone und Gemeinde, Klinikseelsorge, Religionsunterricht etc.) haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend nebeneinanderher entwickelt und stehen heute vielfach unverbunden nebeneinander.
Dies sind nur einige Aspekte, die einen Prozess der Erneuerung der kirchlichen Organisation notwendig macht. Dieser Strategieprozess ist von zwei Leitmotiven geprägt: Transformation und Reduktion.
„Wir wollen auch in Zukunft auf Menschen zugehen und in der Gesellschaft präsent sein. Dafür braucht es neue Formen kirchlichen Lebens und Spielraum für kreative Ideen. Und die Art der Zusammenarbeit muss sich weiterentwickeln. In den Stadtkirchenbezirken wird das anders aussehen als auf dem Land, im evangelischen Kernland anders als in der Diaspora. Transformation nennen wir dieses Ziel des Prozesses. Hier kann und soll Neues entstehen. Dafür werden wir anderes auch lassen.
Das zweite Ziel ist sehr klar und auch schmerzhaft: Reduktion. Prognosen zeigen deutlich: Die künftigen Kirchensteuereinnahmen werden nicht ausreichen, um weiterzumachen wie bisher. Deshalb hat die Landessynode beschlossen, bis 2032 insgesamt 30% aller Haushaltsmittel einzusparen. Wir müssen zukünftig mit weniger finanziellen Mitteln, mit weniger Gebäuden und auch mit weniger Personal Kirche gestalten. Weil jede Transformation auch Geld kostet, werden ein Teil der Einsparungen wieder investiert, um Kirche zukunftsfähig zu machen. Gedacht ist u.a. an die klimafreundliche Sanierung von Gebäuden und den Ausbau der Digitalisierung.“
Die Perspektive des Strategieprozesses ist die Kirche 2032. Bis Ende 2023 sollen die Kirchenbezirke ihre Strategie in Beratungsprozessen auf allen Ebene erarbeiten. Dabei wird es vor allem um folgende Fragestellungen gehen:
Welche Bilder von Kirche leiten uns?
In welchen Formen und Angeboten wollen und können wir vor Ort den kirchlichen Auftrag wahrnehmen?
Wozu brauchen uns die Menschen und die Gesellschaft?
Welche Gebäude (Kirchen, Gemeindehäuser, Pfarrhäuser) können wir aufgeben und welche sind für eine wahrnehmbare Kirche notwendig und finanzierbar?
Welche Strukturen der Mitarbeit brauchen wir, um möglichst viele Menschen in der Stadt mit der Botschaft des Evangeliums zu erreichen?
Welche Formen kirchlicher Mitgliedschaft und in Anspruchnahme wollen wir?
Trotz des klaren Reduktionsziels liegt der Schwerpunkt auf der Transformation. Denn eine Reduktion kirchlicher Angebote allein (z.B. einfach die Kürzung von Kirchensteuerzuweisungen) ist nicht hinreichend, wenn sie nicht mit der Transformation des Gemeindebildes, des Pfarrbildes und des kirchlichen Selbstverständnisses einhergeht und dies auch in konkreten strukturellen Transformation (z.B. mehr Vernetzung, mehr Regionalisierung, mehr multiprofessionale Teams) einher geht.
Der Strategieprozess in Heidelberg steht noch am Anfang. In den nächsten Monaten wird es verschiedene Veranstaltungsformate für Gremien und Menschen geben, denen die Kirche am Herzen liegt. In diesem Blog will ich versuchen in der nächsten Zeit einige grundlegende kirchentheoretische Aspekte zu beleuchten.
Es ist einer der Höhepunkte im Kirchenjahr: die jährliche Taufe unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden im Adventslabyrinth der Friedenskirche. Sieben Jugendlichen haben in diesem Jahr diese ganz besondere Art der Taufe der erfahren. Auf dem Weg zur Taufe sind sie angeführt durch Pfarrer Dr. Gunnar Garleff den gesamten Weg des Labyrinths abgeschrietten, feierlich begleitet von KMD Michael Braatz-Tempel am Klavier und dem Gemeindegesang „Show me, Lord, from the start, where’s my treasure, where’s my heart. / Help my hand, calm my thoughts. Help me trust you, Jesus. … „ (Neue Lieder 191).
Am Wendepunkt angekommen empfingen Sie die Taufe. Mitkonfirmand*innen sagten ihnen von außen ihren Taufspruch zu. Auf dem Rückweg in die Gemeinde bekamen die sieben Neugetauften ihre Taufkerze von den Patinnen und Paten überreicht. Die Gemeinde sang „Christus, dein Licht erstrahlt auf der Erde, und du sagst uns: Auch ihr seid das Licht.“ (Neue Lieder 11) Als Lichtbringer trugen sie das Licht in ihre Familien.
In seiner Predigt über Jes 63,15-64,3 sagte Pfarrer Garleff:
„Ausgerechnet ein Klagelied für eure Taufe? Irgendwie finde ich gefallen daran. Nicht, weil ihr so beklagenswert seid. Manchmal wünschte ich mir eher, ihr Jugendlichen würdet lauter und ernster klagen, euch nicht einfach still zufrieden geben in der Jammerkultur vieler Erwachsenen mit ihrer Vorsicht und Mahnung.
Jesaja klagt. Er sehnt sich. Und er hofft auf Gott. Denn er weiß: Gott kommt. Aber er ist noch nicht gekommen. Das ist doch Advent und das ist Glauben. Wir vertrauen darauf, dass Gott kommt, dass er uns entgegenkommt, dass er uns bejaht, dass seine Freude uns gilt, dass er mit uns geht, dass wir bei ihm als Bürger des Himmels gelten. Aber wir haben es noch nicht geschaut. Wir leben im Glauben.
„Glaube,“ so sagte eine von euch: „heißt für mich Vertrauen in Gott und das Wissen, dass er mir zuhört, wenn ich Probleme habe.“ Und dieser Glaube ist immer auch ein Glaube der Umwege, der Zweifel. So wie auch Gottes Wege zu den Menschen, ja Gottes Schöpfungsträume immer wieder krumm werden durch die Wirklichkeit der Welt. Das Labyrinth in unserer Mitte ist gerade dafür ein Zeichen. Die Verheißung, die Gnadenzusage ist in seiner Mitte. Aber der Weg dahin und davon ist nicht gerade, es ist ein Weg der Biegungen, der Umkehrungen, der Wendungen, der Umwege. Gott kommt immer nur auf krummen Wegen. Und doch steht in seinem Zentrum der Ort der Gnadenzusage der Annahme, der Ort lebendigen Wassers. Die Taufe. Und es ist der Ort, da der Glaube sich ereignen möge.
So wie es eine von euch am Mittwoch ausgedrückt hat: „Glauben ist für mich die Nähe zu Gott zu finden und zu spüren.“ Im Wasser der Taufe und im Wort der Taufe will Gott sich spüren lassen. Ja, er sagt dir zur Ermutigung zu: „Ich habe an dir Wohlgefallen!“ – Er ermutigt dich umzukehren, nicht zu verharren sondern auch auf krummen Wegen dein Leben zu leben und dabei von seiner Freude und seinem Licht zu zeugen – ja, Licht zu sein.
Aus dieser Erfahrung kannst du aufbrechen im Glauben. So wie wieder eine von euch ausdrückt: „Für mich ist Glaube, wenn man sich vollkommen willkommen fühlt. Eine Lösung in schwierigen Zeiten und das Gefühl von Geborgenheit, wo auch immer man ist. Glaube ist etwas Schönes. Es ist nicht erzwungen und wird nicht unterdrückt. Glauben begleitet einen auf seinem Weg und wird nicht verschwinden, wenn man Fehler macht.“ Gewiss, nicht immer wird euer Glaube nur ein Glücksgefühl sein. Nicht immer wird er ein Loblied singen. Manchmal wird er wie Jesaja voll der Klage sein. Glaube kennt viele Farben, wie die Liebe, die auch nicht immer nur himmelhochjauchzend ist und vergnügt.
Das wünsche ich euch, liebe Täuflinge, dass ihr in einem Glauben lebt, der euch auch auf Biegungen und Umwegen, auch im Zweifel vertrauen lässt, dass Gott mit euch geht, dass Jesus sein Sohn eure Wege kennt und dass der Heilige Geist euch Kraft und Trost schenkt auch in schwierigen Zeit. Ja, ich wünsche euch einen Glauben, der sich nicht zufrieden gibt in dieser Welt, sondern der euch zu Lichtbringern werden lässt gerade dort, wo ihr seid. Ein Glaube, der euch willkommen heißt. Amen.
Um 19:45 Uhr war es am Buß- und Bettag soweit. Freudestrahlend trat Schuldekan Dr. Beate Großklaus im Wahlgottesdienst ans Mikrofon und verkündigte die frohe Nachricht: „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass die neue Pfarrerin der Friedensgemeinde Therese Wagner heißt.“
Pfarrerin Therese Wagner (Foto: Bauerochse)
Bis Therese Wagner, die derzeit Gemeindepfarrerin in der Kirchengemeinde Kollnau in der Nähe von Freiburg ist, ihren Dienst allerdings in Handschuhsheim antreten kann, werden noch ein ca. 9 Monate vergehen. Das hat vor allem zwei Gründe: Ihr Mann Gregor Herrmann-Wagner ist Pfarrer im Schuldienst, für ihn muss zunächst eine geeignete Stelle in der Region gefunden werden. Außerdem ist die zur Verfügung stehende Wohnung für eine Familie mit zwei kleinen Kindern nicht geeignet. Daher suchen wir zusammen mit dem Kirchenbezirk eine geeignete 6-Zimmer-Wohnung oder -Haus in Handschuhsheim. Über Hinweise an dekanat.heidelberg@kbz.ekiba.de freuen wir uns.
Am 14. November hatte sich Therese Wagner in einem Gottesdienst in der Friedenskirche der Gemeinde bekannt gemacht. Anschließend stand sie in einer Gemeindeversammlung für die Fragen aus der Gemeinde zur Verfügung. Den Vorstellungsgottesdienst von Therese Wagner können Sie hier nachschauen:
Auch mit dem Ältestenkreis der Friedensgemeinde hat Therese Wagner ein ausführliches Gespräch geführt. Mit einem Text „Mein Bild von Kirche“ hatte die Kollnauer Pfarrerin sich um die Pfarrstelle in der Friedensgemeinde beworben. Eine Skizze für die Kirche von morgen:
Mein Bild von Kirche – auch für morgen
Kirche gründet sich für mich in einem Morgenspaziergang, in einem Nicht-Mehr-Schlafen-Können zweier Frauen, die feststellten: Das Grab ist leer! und hören: „Er ist auferstanden!“.
Die „Kirche von morgen“ ist von diesem Morgen her zu denken. Von diesem An- und Aufbruch, der immer wieder neu geschieht.
Da sind Menschen, die hören und leben dann, als wenn es kein Abend gibt. Als wenn es nicht stimmt, dass alles nur noch schlimmer wird und alles so bleiben muss, wie es ist oder immer schon war.
Da sind Menschen, die hören und wissen: Kirche hängt nicht an ihren Steinen, sondern bringt sie ins Rollen. Sie ist kein unverrückbarer Klotz, sondern verrückt, weil sie an ein Morgen glaubt.
Da sind Menschen, die bleiben nicht im Verborgenen, sondern treten in Erscheinung. Sie reden nicht hinter vorgehaltener Hand im stillen Kämmerlein, sondern offen und frei von der Botschaft, die durch alle Ritzen dringt.
Die „Kirche von morgen“ mag andere Formen von Gottesdienst kennen, andere Gebäude und Mitgliederverhältnisse haben. Sie wird vermutlich andere Lieder, andere Bilder und Sprache finden, als ich es heute gewohnt bin. Auch Schwerpunkte werden sich verschieben, weil Gesichter und damit Begabungen wechseln. Aber immer werden Menschen am Morgen sich aufmachen, zusammenkommen, hören und dann so leben, als wenn es kein Abend gibt.
Die „Kirche von morgen“ ist für alle, die im Morgenglanz der Ewigkeit Gottes weiterspazieren. So bin ich in den letzten Jahren mit Menschen unterwegs gewesen. Da ist für mich konkret die „Kirche von morgen“ sichtbar geworden. Ich denke an die Konfis, die am Anfang Ihrer gemeinsamen Zeit mit ihren Fragen zum Glauben hinausgingen, ihre Lehrer, den Bürgermeister oder die Nachbarin interviewten und mit einem persönlichen Brief ihrer Adressaten in den Gottesdienst zurückkehrten. Ich denke an ein Paar kurz vor der Trauung, das am Küchentisch erstmals anfing, sich über ihre Vorstellungen vom Leben und Tod zu erzählen. Ich denke an große gemeinsam Feste im Zoo, am Fluss oder beim Stadtteilfest mit den katholischen oder evangelischen Nachbarn. Ich denke an die vielen unverblümten Fragen der Kinder im Unterricht und manchmal auch mitten im Gottesdienst. Kinder, die nicht abgespeist, sondern genährt werden wollten mit märchenhaften Geschichten von Helden und Schurken, Königen und Bettlern, Pharaonen, Soldaten, Fischern, ja, von mir selber – von Vorbildern im Glauben und im Zweifel. Ich denke an kleine und große Diskussionen und Streitgespräche. Gespräche, die manchmal weh taten, weil der Finger in die Wunde gelegt wurde und die am Ende doch heilsam waren. Ich denke an die vielen Gebete, die nach so manchem Gespräch das Erzählte Gott hinhielten. Gebete voller Dank und Freude, Angst und Verzweiflung; aber auch Gebete, die sich nach langem gemeinsamen Schweigen Jesu Worte liehen.
Auf meinem Spaziergang in der „Kirche von morgen“ bin ich auf dem Weg zu den Menschenund ihren Lebensgeschichten, die im Hören und Fragen so viel Reichtum bergen. Lebensgeschichten, die oft Bilder in mir wachrufen oder sich mit einem Bibelwort verbinden. Wenn ich während des Spaziergangs zurückblicke, dann hoffe ich immer, ein paar Brocken Brot auf dem Weg zu finden, Reserven, die mich in einen Raum zurückführen, der jeder und jedem offensteht. Der erkennbar und einladend ist, weil ein Tisch in ihn hineingeschoben wurde. Dieser Tisch ist festlich gedeckt mit dem weißen Tuch, das am Boden lag.
Bei meinem ersten Spaziergang vor Ort und digital durch Ihre Gemeinde habe ich schon viel „Kirche von morgen“ für mich entdecken können: im Teamgeist und Bewusstsein, gemeinsam unterwegs zu sein, im immer wieder Draufschauen und Weitergehen, in der Lust, Neues auszuprobieren, in der hohen Wertschätzung von stimmigen Gottesdiensten, im kreativen Umgang mit Räumen oder in den offenen Türen. Das hat mich begeistert.